Cops durchsuchen kollektives Wohnprojekt und Geschäftsräume

10.07.2003, 09:50

Seit dem aktuell laufenden Thüringer Polizeiskandal wird endlich mal über die Art und Weise der Polizeiführung diskutiert. Auch bei uns im thüringischen Ilmenau ist einiges passiert ... aber lest selbst

Als mein Hausmitbewohner am frühen Morgen die Augen öffnet, steht ein Polizeibeamter neben seinem Bett. Zu einer Frage kommt er nicht, denn der Polizist fordert das unverzügliche verlassen des Bettes. Kurze Zeit später findet sich Thorsten auf der Fensterbank an der Karl Liebknecht Straße in cirka 5 Meter Höhe wieder. Er soll eine Puppe, die neben seinem Zimmerfenster an der Hausfassade hängt, von dort entfernen. Gefragt wird er zuvor nicht, ob er diese dort überhaupt hingehängt hat.

Was wie ein Auszug aus einem Kinofilm oder einem Theaterstück klingt ist traurige Wirklichkeit aus Ilmenau. In einem Theaterstück hätten die Polizisten auch einen richterlichen Durchsuchungsbefehl sowie Polizeimarken vorgezeigt.

Die Puppe wiegt über 50 Kilogramm und ist dazu nicht in reichweite von seinem Zimmerfenster aus zu erreichen. Nur unter größten Schwierigkeiten und unter lebensgefährlichen Umständen kann Thorsten. die Aufgabe bewältigen.

Ich erlebte ich eine ähnliche Geschichte schon einmal. Diese liegt im September 2002 (07. September 2002) zurück. Damals wachte ich vom stürmischen Klingeln auf. Als ich die Zimmertür zum Flur öffnet, stehen dort schon mehrere bewaffnete Beamte. Die Haustür ist aufgebrochen. Trotz Aufforderung werden weder Dienstmarken noch ein Durchsuchungsbefehl vorgelegt, auch der Grund kann mir nicht genannt werden, weshalb die Beamten in unsere WG-Wohnung eingebrochen sind noch erfahre ich auch nach mehrmaligen Nachfragen den Namen des zuständigen Einsatzleiters, um ein klärendes Gespräch zu suchen. Die Rechtsbelehrung wird mir vorenthalten. Die einzige Begründung lautete "Gefahr im Verzug" ohne die dazu nötige Erläuterung. Erst Stunden später erfuhr ich, das dass vor unserem Haus ein CDU-Plakat mit einem Christoph Schlingensief Plakat überklebt worden ist. Die Durchsuchung läuft von 0 Uhr bis cirka 1 Uhr Nachts. Um 4.30 Uhr wird die Rechtsbelehrung "nachgeholt".

Als Thorsten und ich Strafanzeige wegen schweren Hausfriedensbruch und Nötigung erstatten wollen werden wir an der Hauptpolizeiinspektion abgewiesen. Einer der Beamte wollte pünktlich Feierabend machen und der andere verweigerte die Annahme der Anzeige gegen einen Kollegen. Wir könnten auch einen anderen Tag wiederkommen, so die Beamten.

Die Beamten haben in eine privatrechtliche Angelegenheit, die durch einen Mietvertrag zwischen Mieter und Vermieter geregelt ist, ohne jegliche Legitimation eingegriffen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz verbietet eine Amtshandlung ohne Legitimation ausdrücklich. Demzufolge haben die Polizisten weit über ihren Kompetenzbereich gehandelt. Das wird auch bei der Untersuchung des Grundgesetzes deutlich. Hier ist die Unverletzlichkeit der Wohnung als einer der Grundpfeiler einer demokratischen Grundordnung garantiert. Ohne richterlichen Beschluss dürfen die Beamte nur bei der sogenannten "Gefahr im Verzug" tätig werden. Diese ist durch die Bundesrechtssprechung jedoch sehr stark eingegrenzt und nur zulässig, wenn eine Vernichtung von Beweismitteln oder Täterflucht droht. In diesem Fall wohl eine nicht glaubhafte Begründung.

 


Durch Art. 13 des Grundgesetzes wird allen Bürgern im Hinblick auf die Menschenwürde ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In eigenen Wohnräumen hat jeder das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In dieses Grundrecht greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Wegen des Gewichts dieses Eingriffs muss die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich einem Richter vorbehalten sein. Schon aus Wortlaut und Systematik des Art. 13 folgt, dass die richterliche Anordnung die Regel und die polizeiliche/ staatsanwaltschaftliche die Ausnahme darstellt. Das Verfassungsgericht verpflichtet alle staatlichen Organe dafür Sorge zu tragen, dass dieser Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird z.B. durch Eildienste an den Gerichten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Strafverfolgungsbehörden eine Dokumentations- und Begründungspflicht für die Inanspruchnahme einer Eilkompetenz auferlegt. Nur so sei nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz erst möglich.




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