Ein Jahr durch die Brille - 2010

11.11.2010, 03:54

2010 war schon ein seltsames wie unerwartetes Jahr.

 

Wir trauern um unseren Genossen und Freund Martin Büsser, der viel zu früh von uns ging und seinen großartigen Beitrag für I Can´t Relax In Deutschland hinterlässt. Wir zeterten und nervten weil ein paar Medien so eingerostet scheinen und wir stoßen mit euch auf wirklich klasse Releases 2010 an (mit Kindersekt, alkoholfrei), während Filesharer nichts verstanden haben. Aber der Reihe nach...

 

1. Corporate Punk sucks - unterm durchschnitt im Wandel

Anfang des Jahres hatte ich genug. Zwar bekommen unsere Veröffentlichungen fast durch die Bank weg gute Kritiken. Aber kann einem das genügen, wenn man liest wie die verfasst sind? Irgendwie ist der Musikjournalismus weitestgehend inflationär geworden. Viele Themen werden durchgewunken und sind schneller verflogen als sie gekommen sind. Gerade im Printbereich würden wir uns wünschen, dass man mal wieder mehr Themen langfristig angeht und auch jenseits der Stammkundschaft mit Majorbackground das Vertrauen schenkt, womit wir natürlich und vor allem unser Label samt Roster meinen.

Es ist wie mit Gallien, denn es gibt tatsächlich noch die Guten. Sowohl das Visions Magazine als auch das Uncle Sallys brachten in unmittelbarer Aufeinanderfolge ein umfangreiches Special, einmal "Deutscher Hardcore" (Visions 09/2010) und einmal "Punk(s) in Deutschland" (Sallys 11/2010), wobei es in beiden Reportagen um die Entwicklung weg von Traditionalismen ging.

So richtig weg war er ja nie, aber: Der alte Kumpel (Deutsch-)Punk ist zurück!" leitet das Sallys Magazine seine große Rundum-Reportage ein. "Und er trägt jetzt Brille. Sind die ?Schlachtrufe BRD? noch der passende Soundtrack zum Untergang? Eine Welle neuer deutscher Punk-Bands beantwortet diese Frage musikalisch mit ?NeinNeinNein? und haucht dem zuletzt schwer mit seinem Dosenbier-Image kämpfenden Genre neues Leben ein. (Sallys 11/2010)

Adolar, Mikrokosmos23 und Captain Planet macht das Sallys als Teil einer neuartigen Bewegung aus, für die Zuschreibungen wie "Deutscher Hardcore", "Deutsch-Punk", "Emo" oder "Post-Hardcore" möglicherweise zu kurz greifen. Klar wird aber, dass das Bewußtsein steigt, sich mit unserem Label und den Bands in Zukunft noch näher auseinandersetzen zu müssen.

2. In einem Move auf die Insel des schwörenden Sees für ein Memorandum

Das Jahr 2010 steht für uns deshalb für einen positiven Wechsel, der das Ende der durch Bandsterben ausgelösten Existenzkrise (Jet Black, peters., Iskra, Mallorys Last Dance) Den Beginn machten Katzenstreik, die mit dem euphorischen Album "Move" plötzlich aus der Versenkung auftauchten. Captain Planet tourten das Jahr mit jeder Menge "ReleaseInselwissen" in fast überall ausverkauften Clubs und spielten vier mittelgroße Festivals (Reeperbahn, Omas Teich, Rocken Am Brocken, Abi Festival).

Mit Adolar stand dann das ersehnte und zügig fertig gestellte Debut mit dem passgenauen Titel "Schwörende Seen, Ihr Schicksalsjahre!" an. Die Rezensenten wurden damit provoziert, denn das Album verlangte seinen Hörerinnen und Hörern Konzentration und Beschäftigung ab. Aspekte, die im Web 2.0-Rausch oftmals hinten rüber fallen, mit dem üblichen Musikkonsum von einem MP3 zum Nächsten oftmals nicht zusammen passen wollen und schon gar nicht in den straffen Redaktionsablauf passen wollen. Das Adolar dazu eben das Korsett Indie völlig zerbersten und mit erhabenen Orchestral-Rock connecten, tat sein übriges. Danke geht hier auch an das Genie Tim Tautorat für seine hervorragende und ausgezeichnete Produktion. Meine Prognose an die Band, dass dieses Album bei den Leuten noch ein halbes Jahr braucht ehe es verstanden worden ist, traf voll zu. Im September: 100. Show im September - Reeperbahn Festival in Hamburg - Sparta Booking-Deal mit roten Ordner im Oktober - My Chemical Romance-Supportanfrage von Karsten Jahnke erst für Hamburg und Marek Lieberberg dann besser für Berlin (MCR über Adolar) im November - Einladung von Jupiter Jones für den Jahresabschluß in der Live Music Hall Ende Dezember in Köln ... was will man mehr?

Mit Mikrokosmos23 gelang es dann, eine weitere Band ins Rennen zu schicken die mit Mut zu einem breiteren Sound und toller Produktion beweisen konnte. Das von Kurt Ebelhäuser produzierte Machtwerk "Memorandum" bietet alles - gewohnt Indieumgebung trotz Breitwandgitarren, Konzeption und Progressivität trotz Pop. Die Singleauskopplung "Knightrider Generation" wurde dann per Video bebildert und gelang völlig unerwartet und dann sogar über einen Zeitraum von beinah 8 Wochen auf MTV Rotation. Das der Bubblegum-Sender nicht mehr viel zu melden hat, wissen wir alle. Doch das eben jene Kids dort einer so unbekannten Band wie Mikrokosmos23 neben dem Corporate Rock von Metallica über Foo Fighters bis Rammstein in der Rockzone Höchstnoten bescheren und sie mindestens 5 Wochen lang in die Top 10 votet verdient schon Beachtung. Mehr noch, es fordert eine nähere Beschäftigung mit "dem Sprachrohr einer Generation" (UniRadio CC) heraus. Überwältigend war ihr Akkustikset für Pop10 TV, welches in einer kalten Oktober-Nacht auf dem Studiobalkon zu Magdeburg gegeben wurde. Die Hälfte der Erstauflage ist bereits 8 Wochen nach Release weg gefrühstückt und die Tour mit Adolar im November wird der Erstauflage wohl endgültig den Todesstoß geben.

3. Alles wegschottern - Lars Ullrich bleibt ein Arsch

Während die Musikindustrie gegen Filesharer vorgeht, ist zwischen File Sharern und Indies eine Zweckgemeinschaft entstanden, denn von der Verbreitung über die eigenen Kanäle hinaus profitieren Bands wie Labels zum Teil schließlich auch.

Auch deshalb befindet sich auf jeder unserer Platten auch weiterhin der Spruch, dass an Freunde weitergeben a recommendable violation of applicable laws ist. Das jedoch ein Wettbewerb um unsere Releases entstanden ist, bei dem öffentliche Blogs wetteifern, Erste zu werden und sich in der Frühzeitigkeit überholen, haben wir 2010 nicht mehr akzeptieren können. Seit "Inselwissen" fanden wir unsere Releases bis zu 14 Tage vor Release auf verschiedenen Tauschbörsen. Das ist ein Ärgernis, denn natürlich hat das kommerzielle Folgen für kleine Labels und Bands, die mit hohen Produktionskosten konfrontiert sind und immer um ihre Existenz bangen müssen (im Wettbewerb mit den Majors).

Die Selbstverständlichkeit, auf Ebene von Indie-Fan zu Indie-Band/Label vorher miteinander in Kontakt zu treten und um Erlaubnis zu bitten, besteht nicht mehr. Deshalb akzeptiert unterm durchschnitt auch das online stellen auf öffentlichen Blogs seiner Veröffentlichungen nicht mehr. Schon gar nicht im unmittelbaren Zeitraum um den Release herum.

Die Entscheidung, wann etwas und wo etwas veröffentlicht wird, sollte schon noch den Künstlern/Bands als Urheber ihrer Musik überlassen werden. Das wir das Ganze öffentlich machten sorgte innerhalb der Indie-Prominenz scheinbar für Aufsehen. Bands oder Labels die vorher nicht den Arsch hatten, Probleme damit zu äußern, schlossen sich unserem Begehren indirekt an und äußerten ähnliche Probleme. Der Blogspot "Gerdas Stube" antwortete mit einem Statement "Ansage: Piraterie kommt der Musikindustrie entgegen", aus dem wir dankenswerter Weise ausgenommen sind weil wir mit den Boys und Girls dort positiv verblieben sind. Das muss sich ja nicht ausschließen und im Zank enden.

Das tautologische Verständnis vieler Filesharer "was ich mache ist gut und deshalb ist es gut" ist Unsinn. Das Musik oftmals überteuert angeboten wird, stimmt. Gerade dies trifft aber auf Indieproduktionen nicht zu, denn hier geht es um jeden Cent und dennoch machen viele Labels oder Bands noch Minus mit ihren Veröffentlichungen. Von der Verbreitung über die Grenzen hinaus hat man oftmals nur bedingt etwas. Natürlich ist es toll wenn Leute die Musik von Captain Planet oder Adolar auch in USA, Russland oder Südafrika hören können. Ändern tut dies für die Bands nichts, so lange es sich nicht um eine Millionen-Fangemeinschaft handelt. Ändern tut sich nur etwas hierzulande, indem sich zahlreiche Leute die Platte nicht noch einmal extra kaufen.

Wir haben mit Relaunch unserer Homepage Anfang 2009 einen Test gemacht und einen "Donate"-Button auf unsere Seite gestellt - in der MP3-Kategorie. Satte 1 EUR Spende sind zusammen gekommen. Ein einziger Filesharer hat es eingesehen, 1 EUR für seinen kostenlosen Download somewhere zu spendieren. Und diese belegbare Studie hebelt alle Scheinargumente, wie sie Gerdas Stube und andere Filesharer im immer selben Wortlaut wiederholen, komplett aus.

Piraterie tötet Indiekünstler und Indielabels. Sie tötet das was euch lieb ist!
Lars Ullrich wird trotzdem Millionär bleiben. Und ein Arschloch.

Ein Selbstverständnis innerhalb dieser Szene wäre wichtig, welches dem freien Download zumindest materielle Grundsätze auferlegt als eine Art Selbstverpflichtung. Denn was nützt einem die Bekanntmachung, wenn daraus keine Erlöse erwachsen die Bands und Labels das Bestehen sichern?




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